Das Interview mit Miriam Mertens von DeepSkill

Inhaltsverzeichnis

Miriam Mertens ist Co-Founder & CEO von DeepSkill, einer technologiegestützten Plattform für die digitale Personalentwicklung. Entscheidend dabei: Der Match zwischen Coach und Gecoachten.

Über ihr start up sagt sie: „Wir vermenschlichen die Arbeit und erschließen die Kraft der Denkweise, der emotionalen Intelligenz und der menschenzentrierten Führung in Unternehmen, indem wir technologiegestützte Coaching- und Schulungsprogramme entwickeln. We love People & Tech!“

Auf der Future Tech Fest 2024 habe ich mich mit Miriam über emotionale Intelligenz, Lernen und Wissen unterhalten.

Unter DeepSkills verstehen wir alle Kompetenzen und Fähigkeiten, die notwendig sind, um die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in Unternehmen zu bewältigen und Lösungen zu entwickeln. Dies umfasst insbesondere die großen Transformationsherausforderungen, mit denen viele Unternehmen derzeit konfrontiert sind. DeepSkills beinhalten emotionale und soziale Kompetenzen sowie Future Skills, also Fähigkeiten, die besonders wichtig sind, um erfolgreich mit Veränderungen und Herausforderungen umzugehen. Dazu gehören Problemlösungskompetenz, Kreativität, kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, starke Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen.

Wir bieten den perfekten Fit zwischen Lernenden, Trainingszielen und Inhalten – ähnlich wie ein „Tinder für Personalentwicklung“, aber mit entscheidenden Unterschieden. Wir berücksichtigen nicht nur die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Lernenden, sondern legen vor allem Wert auf die strategischen Ziele des Unternehmens. Denn effektive Personalentwicklung muss eng auf die Unternehmensstrategie abgestimmt sein, um wirklich Wirkung zu zeigen.

Deshalb analysieren wir zunächst die Situation des Unternehmens und identifizieren die strategischen Ziele. Darauf basierend gestalten wir maßgeschneiderte Lernpfade, die diese Ziele optimal unterstützen. Dabei achten wir nicht nur auf die Unternehmensbedürfnisse, sondern auch auf die unterschiedlichen Lerntypen, Lernbedürfnisse und Kompetenzprofile der Lernenden. So schaffen wir eine effektive und effiziente Lernumgebung, die individuell abgestimmt ist und echten Mehrwert bietet.

Unsere Trainings sind immer maßgeschneidert und berücksichtigen die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe. Dabei analysieren wir, welche Inhalte, Module und Kompetenzen aktuell am relevantesten sind und stimmen die Trainingsformate darauf ab. Das kann man sich ein wenig wie im Sport vorstellen: Nicht für jeden ist ein Personal Trainer oder Gruppentraining das Beste. Der optimale Mix hängt von den Lernenden, der Zielgruppe, der Lernkultur und den angestrebten Zielen ab.

Wir kombinieren dabei die Technik und menschliche Interaktion: Selbstlerninhalte wie E-Learnings, kleine Aufgaben und Umfragen ergänzen wir mit personenzentriertem Lernen – etwa durch Peer Practices, Gruppenlernen, Live-Trainings und Einzelcoachings. So schaffen wir eine optimale Lernumgebung, in der technikbasierte und menschenbasierte Formate zusammenwirken, um den bestmöglichen Trainingserfolg zu erzielen.

Wir nehmen bei unseren Kunden kaum Vorbehalte gegenüber Künstlicher Intelligenz wahr. Die zentrale Frage ist meist nicht das „Ob“, sondern das „Wie“: Wie nutzen wir KI, und welchen Mehrwert bietet sie? Bei uns kommt KI vor allem zum Einsatz, um Inhalte zu personalisieren und damit noch relevanter für die Lernenden zu machen – zum Beispiel durch die Anpassung von Sprache, Beispielen und Use Cases, die optimal zur jeweiligen Zielgruppe passen. Zudem setzen wir KI ein, um den besten Mix zwischen Trainern, Coaches und Lernenden zu finden.

Wenn wir klar erläutern, wie die KI eingesetzt wird und welche Vorteile sie bietet, stoßen wir selten auf Skepsis – weder bei Personalentwicklern noch bei HR-Executives. Letztlich geht es darum, die KI so zu nutzen, dass sie den Menschen dient. Und genau das tun wir: Wir setzen KI gezielt ein, um die Lernerfahrung zu verbessern und die Entwicklung jedes Einzelnen optimal zu unterstützen.

Dieses Wissen basiert auf einer Mischung aus Branchenvergleichen, wissenschaftlichen Studien und fundierten didaktischen Erkenntnissen darüber, was in verschiedenen Lernsituationen funktioniert. Zu Beginn haben wir uns stark auf wissenschaftliche Studien gestützt, um herauszufinden, wie man zum Beispiel Agilität im digitalen Kontext am besten lernt.

Nun zur Frage, wie wir dieses Wissen sichern: Wir sorgen dafür, dass es nicht nur in den Köpfen der Mitarbeitenden bleibt, sondern systematisch dokumentiert und in unserer Organisation abrufbar ist. Das geschieht durch digitale Wissensplattformen, in denen alle Erkenntnisse, Best Practices und erprobten Lernmethoden gespeichert sind. So stellen wir sicher, dass dieses wertvolle Wissen nicht verloren geht, selbst wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Jeder im Team hat Zugriff auf diese Ressourcen, was uns erlaubt, unser Know-how kontinuierlich weiterzugeben und zu nutzen – unabhängig von einzelnen Personen.

Der spannende zweite Teil unserer Arbeit ist, dass wir aus den anfänglichen Grundhypothesen hochwirksame Trainingsjourneys entwickeln konnten und nun zahlreiche Datenpunkte sammeln. Auf unserer Plattform sehen wir genau, welche Lernpfade mit welchen Formaten und Inhalten für bestimmte Zielgruppen und Branchen am effektivsten sind. Diese Daten ermöglichen es unserem selbstlernenden Algorithmus, die Lernpfade kontinuierlich zu optimieren und an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen.

Unser System verbessert sich also ständig selbst, indem es auf Basis der gesammelten Daten die besten Kombinationen für unterschiedliche Zielgruppen erkennt. So können wir unseren Kunden immer die optimalen, datenbasierten Learning Journeys anbieten, die auf konkreten KPIs und nicht nur auf Bauchgefühl beruhen. Das macht unsere Trainings nicht nur effizienter, sondern sorgt auch dafür, dass wir das Wissen über erfolgreiche Lernmethoden und -formate kontinuierlich erweitern und an unsere Kunden weitergeben können.

Die Unterscheidung zwischen fachlicher und emotionaler Intelligenz ist dabei wichtig, denn emotionale und soziale Kompetenzen lassen sich nicht so leicht in standardisierte Wissensabfragen packen wie fachliche Kenntnisse. Während fachliches Wissen meist direkt abgefragt werden kann, erfordert die Erfassung emotionaler Intelligenz oft subtilere Ansätze.

Um emotionale Intelligenz und Deep Skills abzubilden, müssen die Fragen tiefer gehen und gezielt die Beweggründe und Verhaltensweisen der Befragten ansprechen. Es geht darum, Situationen zu skizzieren, die emotionales Verständnis erfordern, und zu hinterfragen, wie jemand in bestimmten Teamsituationen agieren würde, um den bestmöglichen Output zu erzielen. Solche Fragen sollten darauf abzielen, Reflexionen über das eigene Handeln und die Interaktion mit anderen zu provozieren.

Die Herausforderung liegt darin, die richtigen Fragen zu stellen, die nicht nur reines Wissen, sondern auch das Verständnis für zwischenmenschliche Dynamiken und Emotionen aufdecken. So können wir auch emotionale Intelligenz strukturiert erfassen und als wertvollen Teil des Unternehmenswissens dokumentieren.

Obwohl derzeit viele Unternehmen auf den KI-Zug aufspringen und bereits vom Ende des KI-Hypes geschrieben wird, sehe ich das Ende noch nicht. Wie bei vielen Hype-Zyklen beginnt langsam eine Phase der Differenzierung und des Realismus. Die Betrachtung von KI-Anwendungen muss daher sehr differenziert erfolgen.

Es gibt Unternehmen, die eigene Sprachmodelle entwickeln und originäre KI-Lösungen erschaffen. Daneben gibt es zahlreiche Unternehmen, die bestehende Technologien nutzen, und zu diesen zählen auch wir. Die effektive Nutzung solcher Technologien kann erhebliche Vorteile in Bezug auf Produktqualität, Automatisierung und Skalierung bringen. Investoren sollten daher besonders darauf achten, wie differenziert und konkret die KI-Nutzung ist und welchen echten Mehrwert sie für das Unternehmen schafft.

Mein Tipp wäre, genau hinzuschauen. Unternehmen, die eigene KI entwickeln, tragen bestimmte Risiken, da ihre Produkte oft umfangreiche Datenmengen und langfristige Entwicklungen benötigen, um sich durchzusetzen. Als Investor sollte man daher besonders auf die Relevanz und Qualität dieser Daten achten.

Für Startups, die bestehende KI-Technologien nutzen, kann der Einsatz sehr effektiv sein, birgt jedoch auch Herausforderungen. Die zentrale Frage aus Investorensicht sollte immer sein: Welchen echten Mehrwert bietet die KI für den Kunden? Es geht darum, zu bewerten, ob die KI tatsächlich einen echten Nutzen schafft oder nur ein schönes Zusatzfeature ist.

Letztendlich kommt es darauf an, wie gut die KI zur Steigerung des Customer Values beiträgt. Die Bewertung sollte sich darauf konzentrieren, ob die KI-Lösungen den Kunden echten Mehrwert bieten und wie gut sie dazu beitragen, die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen.

Dass man fachliche Intelligenz trainieren und entwickeln kann, ist allgemein anerkannt. Doch die Frage, ob emotionale Intelligenz, Empathie, Bauchgefühl und Kooperationsfähigkeit erlernt oder anderen beigebracht werden können, wird häufig gestellt. Die Antwort ist ja – das ist möglich.

Zahlreiche Studien bestätigen, dass emotionale Intelligenz durch gezieltes Training und Übung entwickelt werden kann. Die Neuroplastizität des Gehirns zeigt, dass sich unser Gehirn bei wiederholtem Üben verändert. Fähigkeiten wie Empathie lassen sich in bestimmten Gehirnarealen nachweisen und können durch gezielte Übungen verbessert werden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Erwerb solcher Kompetenzen nicht einmalig ist. Vielmehr erfordert es kontinuierliche Übung und echte Verhaltensänderungen. Man spricht dabei oft von „Unterbewusstseinsautobahnen“, die durch regelmäßige Wiederholung und Anwendung gestärkt werden. Emotionale Intelligenz muss also anders trainiert werden als fachliche Kompetenzen – durch ständiges Einüben und gezielte Verhaltensänderungen.

Emotionale Kompetenzen werden vor allem durch praktisches Tun, Fühlen und Erleben entwickelt. Deshalb spielen reine Modelle und Wissen in diesem Bereich eine geringere Rolle. Unsere Programme sind deshalb so gestaltet, dass sie kontinuierlich kleine Interventionen und Sessions bieten, bei denen Dinge erprobt und durchgespielt werden. Das Ziel ist es, die Lerninhalte durch aktives Erleben zu verinnerlichen.

Jeder hat unterschiedliche Stärken und Talente; manchen fällt klare Kommunikation oder der Aufbau von Beziehungen leichter. Dennoch kann sich jeder von seinem aktuellen Standpunkt aus weiterentwickeln, ähnlich wie bei fachlichen Qualifikationen. Der Fehler liegt darin, emotionale Kompetenzen wie fachliche Fähigkeiten zu schulen, zum Beispiel nur durch Videos. Solche Ansätze sind oft nicht ausreichend. Um emotionale Fähigkeiten erfolgreich zu entwickeln, ist es entscheidend, ins Erleben, Tun und Fühlen zu kommen, da diese Fähigkeiten für den Erfolg in unseren aktuellen Herausforderungen von großer Bedeutung sind.

Emotionale Kompetenzen sind für Mitarbeitende und Führungskräfte von großer Bedeutung, und KI kann eine wertvolle Unterstützung bei deren Entwicklung sein. Wie bereits erwähnt, kann KI helfen, diese Kompetenzen optimal zu schulen, indem sie maßgeschneiderte Lernformate für jeden einzelnen Lernenden erstellt und zusammenstellt. Der Ansatz „One Size Fits All“ ist im Lernen und Training selten effektiv, und KI ermöglicht eine individuelle Anpassung, die über das hinausgeht.

Durch KI können wir den besten Mix aus verschiedenen Lernformaten und -methoden finden und kontinuierlich anpassen. Dies beinhaltet sowohl digitale als auch persönliche Lernansätze, und KI ermöglicht es, diese Ansätze fortlaufend zu benchmarken und zu optimieren.

Während KI also bei der individuellen Umsetzung und Bereitstellung von Lerninhalten eine große Rolle spielt, bleibt der Mensch unerlässlich für die emotionale Bindung, Wertschätzung und das persönliche Fühlen. KI unterstützt die personalisierte Anpassung und Optimierung, aber die menschliche Komponente ist entscheidend für die emotionale Dimension des Lernens.